Ein Inserat mit einem lauten Plädoyer für einen Karlsplatz mit Documenta Institut
Auch wenn der sozialdemokratische Hochadel Kassels, für die o.a. Anzeige ein wenig an- und eingegrünt, zusammen mit denjenigen, die stets in seinem Dunstkreis sich befinden, nun die Entscheidung der aktuellen politischen Führung der Stadt für den Parkplatz an der Oberen Karlsstraße als zukünftigen Standort des Documenta Instituts abgesegnet hat, muss dieser Standort deswegen noch lange nicht der Richtige oder gar Beste sein. Auch wenn diese Absegnung mit einer ganzseitigen, um nicht zu sagen „einseitigen“ Anzeige in der HNA am 27. Juni 2020 den Eindruck erwecken soll, dass angesichts der Wucht an Kompetenz, die mit den Namen ganz offensichtlich demonstriert und transportiert werden soll, nun alles gesagt sei, so tritt dennoch bei anders denkenden Fachleuten und Historikern eher Irritation auf. Warum, das soll hier kurz erläutert werden.
Damit keine Missverständnisse entstehen, soll zuerst kurz aufgezählt werden, worum es hier nicht geht:
1. Es geht nicht um eine Unterstützung der Argumente der Anwohner und Geschäftsinhaber, die das Parken auf dem Platz an der Oberen Karlsstraße wegen unverstandenen Eigeninteresses mehr oder weniger beibehalten wollen. Dass dieser Parkplatz schon lange keiner mehr ist, weiß der Unterzeichner so gut wie jede interessierte Leserin. Seine Existenzberechtigung hat er seit langen Jahren verloren. Er ist nur noch da, weil die Verantwortlichen und Zuständigen sich unfähig zeigten, eine adäquate Lösung für diesen bedeutsamen Ort in der Oberneustadt zu entwickeln. Nur so ist zu erklären, dass dieser spannende und historisch positiv aufgeladene Platz bis heute ein Hinterhof zum Abstellen von Autos ist…
2. Es geht auch nicht um eine Verfahrenskritik, die auf das ausgesprochen ungeschickte Projektmanagement insgesamt reagiert. Diese Kritik von verschiedenen Seiten führte dazu, dass der erste Standortvorschlag am Holländischen Platz zuerst als Non plus Ultra-Standort gefeiert und erbittert gegen jede Kritik verteidigt wurde, dann aber peinlicher Weise recht schnell und geräuschlos zurückgezogen werden musste, weil dort nichts zusammen passte…
3. Es geht auch nicht um die geradezu unglaublichen Defizite in der Einbindung interessierter Kreise der Stadtgesellschaft und um die Nichtbeachtung der Rechte und Informationsbedürfnisse der oppositionellen in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien. Man muss in diesem Fall von Durchregieren sprechen, weil sich das Verhalten der beiden Fraktionen in Regierungsverantwortung nicht anders bezeichnen lässt. In der KasselZeitung habe ich darüber im Januar d.J. schon einmal geschrieben:
http://kassel-zeitung.de/cms1/index.php?/archives/18531-SPD-und-Gruene-in-Kassel-bis-zu-den-Neuwahlen-2021-ohne-Mehrheit.html#extended
Der nun ausgewählte und mit knapper Mehrheit beschlossene Standortvorschlag wird durch die Weihen und Segnungen des sozialdemokratischen Hochadels allerdings nicht besser, auch wenn er nun Kritik an der getroffenen Entscheidung quasi abtöten soll: Wenn so viel geballte sozialdemokratische Prominenz für den Karlsplatz votiert und derart viele, namhafte Architekten und Stadtplaner sich für das Documenta Institut eben dort aussprechen, wer sollte da noch wagen, seine Stimme kritisch zu erheben?
Um aber genau das zu tun, gibt es drei gute Gründe:
1. Das Gebäude mit seinen aktuellen bzw. künftigen Flächenansprüchen ist – unabhängig von der über einen Wettbewerb noch zu findenden architektonischen Ausprägung und Form - für den Bereich des Karlsplatzes und seine Umgebung schlicht zu groß. Der Respekt der ehemaligen Oberneustadt gegenüber, schon vielfältig mit Füßen getreten und missachtet, wird ein weiteres Mal sträflich vernachlässigt. Und es darf davon ausgegangen werden, dass ein abermals zu groß geratenes ‚Ufo‘ die Situation mit der eh schon bedrängten Karlskirche nicht nur nicht optimiert, sondern zusätzlich bedroht, wenn das Documenta Institut mit seinen mehr als 6000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche dort landet…
2. Das Gebäude ist, auch wenn jetzt im Nachhinein für Lebendigkeit, Offenheit, Transparenz und gut frequentierte Nutzungsarten im Erdgeschoss gesorgt werden soll, für diesen Ort und Raum ungeeignet, weil ein Archiv ein Archiv ist. Damit ist gemeint, dass das Zuschauen beim Archivieren und den damit verbundenen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten kaum geeignet sein wird, das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken und den Ort mit urbaner Vielfalt zu bereichern… Von der einen oder anderen Tagung abgesehen, wird dort gearbeitet und abends geht das Licht aus. Eine dringend gebotene Aufwertung dieses Bereichs der Innenstadt wird damit eher nicht verbunden sein.
3. Für das begehrte und natürlich überaus zu begrüßende Gebäude gibt es bessere Standorte. Das Gebäude gehört, weil Kassel zum Glück hochgradig geeignete Alternativen für den Bereich des Karlplatzes aufzuweisen hat, entweder an den Brüder Grimm Platz am Beginn der Wilhelmshöher Allee oder auf den Parkplatz zwischen RP und Theater. Beide Standorte haben neben der günstigen städtebaulichen Anbindung außerdem etwas, was der heutige Parkplatz an der Oberen Karlsstraße definitiv nicht bieten kann, nämlich Erweiterungschancen… Es könnte durchaus sein, dass solche Erweiterungen in nicht allzu ferner Zukunft erforderlich werden könnten. Und das ließe sich dann auf dem nun mit Verve beworbenen Areal in der Oberneustadt beim besten Willen nicht mehr realisieren…
Warum, das fragt der Autor, um nur eine konkrete Alternative für die Bebauung des besagten Autoabstellplatzes im Herzen der Oberneustadt konkret zu benennen, erweitert man nicht das Rathaus an dieser Stelle? Es platzt aus allen Nähten. Und das schon seit Jahren. Die vielen über die Stadt verteilten Verwaltungsstandorte könnten endlich reduziert werden, wenn sich das Rathaus zu einer genialen, kritisch rekonstruierten und gleichzeitig mutigen architektonischen Lösung entschlösse. Mit Kritischer Rekonstruktion, nur falls man/frau das schon wieder vergessen haben sollte, ist das Bauen orientiert am alten Stadtgrundriss, modern interpretiert, gemeint. Dafür wurden die Stadt und ihre für den Wiederaufbau des Kerns der Unterneustadt gegründete Entwicklungsgesellschaft, die PEG, 2002 mehrfach hochkarätig geehrt. So könnte man in der Oberneustadt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nicht nur – auch wenn das abstrakt klingt – der Oberneustadt den gebührenden Respekt zuteilwerden lassen, nein, man könnte damit auch den Spiritus Rector für den Bau der Oberneustadt im Auftrag des Landgrafen Karl, Paul du Ry, nachträglich ehren.
Das stünde der Stadt Kassel gut zu Gesicht, die mit einem hastigen Wiederaufbau so viele schmerzhafte Fehler begangen hat. Hier bestünde die Chance einer Wiedergutmachung.
1. Es geht nicht um eine Unterstützung der Argumente der Anwohner und Geschäftsinhaber, die das Parken auf dem Platz an der Oberen Karlsstraße wegen unverstandenen Eigeninteresses mehr oder weniger beibehalten wollen. Dass dieser Parkplatz schon lange keiner mehr ist, weiß der Unterzeichner so gut wie jede interessierte Leserin. Seine Existenzberechtigung hat er seit langen Jahren verloren. Er ist nur noch da, weil die Verantwortlichen und Zuständigen sich unfähig zeigten, eine adäquate Lösung für diesen bedeutsamen Ort in der Oberneustadt zu entwickeln. Nur so ist zu erklären, dass dieser spannende und historisch positiv aufgeladene Platz bis heute ein Hinterhof zum Abstellen von Autos ist…
2. Es geht auch nicht um eine Verfahrenskritik, die auf das ausgesprochen ungeschickte Projektmanagement insgesamt reagiert. Diese Kritik von verschiedenen Seiten führte dazu, dass der erste Standortvorschlag am Holländischen Platz zuerst als Non plus Ultra-Standort gefeiert und erbittert gegen jede Kritik verteidigt wurde, dann aber peinlicher Weise recht schnell und geräuschlos zurückgezogen werden musste, weil dort nichts zusammen passte…
3. Es geht auch nicht um die geradezu unglaublichen Defizite in der Einbindung interessierter Kreise der Stadtgesellschaft und um die Nichtbeachtung der Rechte und Informationsbedürfnisse der oppositionellen in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien. Man muss in diesem Fall von Durchregieren sprechen, weil sich das Verhalten der beiden Fraktionen in Regierungsverantwortung nicht anders bezeichnen lässt. In der KasselZeitung habe ich darüber im Januar d.J. schon einmal geschrieben:
http://kassel-zeitung.de/cms1/index.php?/archives/18531-SPD-und-Gruene-in-Kassel-bis-zu-den-Neuwahlen-2021-ohne-Mehrheit.html#extended
Der nun ausgewählte und mit knapper Mehrheit beschlossene Standortvorschlag wird durch die Weihen und Segnungen des sozialdemokratischen Hochadels allerdings nicht besser, auch wenn er nun Kritik an der getroffenen Entscheidung quasi abtöten soll: Wenn so viel geballte sozialdemokratische Prominenz für den Karlsplatz votiert und derart viele, namhafte Architekten und Stadtplaner sich für das Documenta Institut eben dort aussprechen, wer sollte da noch wagen, seine Stimme kritisch zu erheben?
Um aber genau das zu tun, gibt es drei gute Gründe:
1. Das Gebäude mit seinen aktuellen bzw. künftigen Flächenansprüchen ist – unabhängig von der über einen Wettbewerb noch zu findenden architektonischen Ausprägung und Form - für den Bereich des Karlsplatzes und seine Umgebung schlicht zu groß. Der Respekt der ehemaligen Oberneustadt gegenüber, schon vielfältig mit Füßen getreten und missachtet, wird ein weiteres Mal sträflich vernachlässigt. Und es darf davon ausgegangen werden, dass ein abermals zu groß geratenes ‚Ufo‘ die Situation mit der eh schon bedrängten Karlskirche nicht nur nicht optimiert, sondern zusätzlich bedroht, wenn das Documenta Institut mit seinen mehr als 6000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche dort landet…
2. Das Gebäude ist, auch wenn jetzt im Nachhinein für Lebendigkeit, Offenheit, Transparenz und gut frequentierte Nutzungsarten im Erdgeschoss gesorgt werden soll, für diesen Ort und Raum ungeeignet, weil ein Archiv ein Archiv ist. Damit ist gemeint, dass das Zuschauen beim Archivieren und den damit verbundenen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten kaum geeignet sein wird, das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken und den Ort mit urbaner Vielfalt zu bereichern… Von der einen oder anderen Tagung abgesehen, wird dort gearbeitet und abends geht das Licht aus. Eine dringend gebotene Aufwertung dieses Bereichs der Innenstadt wird damit eher nicht verbunden sein.
3. Für das begehrte und natürlich überaus zu begrüßende Gebäude gibt es bessere Standorte. Das Gebäude gehört, weil Kassel zum Glück hochgradig geeignete Alternativen für den Bereich des Karlplatzes aufzuweisen hat, entweder an den Brüder Grimm Platz am Beginn der Wilhelmshöher Allee oder auf den Parkplatz zwischen RP und Theater. Beide Standorte haben neben der günstigen städtebaulichen Anbindung außerdem etwas, was der heutige Parkplatz an der Oberen Karlsstraße definitiv nicht bieten kann, nämlich Erweiterungschancen… Es könnte durchaus sein, dass solche Erweiterungen in nicht allzu ferner Zukunft erforderlich werden könnten. Und das ließe sich dann auf dem nun mit Verve beworbenen Areal in der Oberneustadt beim besten Willen nicht mehr realisieren…
...ob im und nach dem Wettbewerb das neue documenta Institut auf diesen Stadtgrundriss vom Ende des 19. Jahrhunderts Bezug nehmen wird, darf bezweifelt werden...
Warum, das fragt der Autor, um nur eine konkrete Alternative für die Bebauung des besagten Autoabstellplatzes im Herzen der Oberneustadt konkret zu benennen, erweitert man nicht das Rathaus an dieser Stelle? Es platzt aus allen Nähten. Und das schon seit Jahren. Die vielen über die Stadt verteilten Verwaltungsstandorte könnten endlich reduziert werden, wenn sich das Rathaus zu einer genialen, kritisch rekonstruierten und gleichzeitig mutigen architektonischen Lösung entschlösse. Mit Kritischer Rekonstruktion, nur falls man/frau das schon wieder vergessen haben sollte, ist das Bauen orientiert am alten Stadtgrundriss, modern interpretiert, gemeint. Dafür wurden die Stadt und ihre für den Wiederaufbau des Kerns der Unterneustadt gegründete Entwicklungsgesellschaft, die PEG, 2002 mehrfach hochkarätig geehrt. So könnte man in der Oberneustadt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nicht nur – auch wenn das abstrakt klingt – der Oberneustadt den gebührenden Respekt zuteilwerden lassen, nein, man könnte damit auch den Spiritus Rector für den Bau der Oberneustadt im Auftrag des Landgrafen Karl, Paul du Ry, nachträglich ehren.
Das stünde der Stadt Kassel gut zu Gesicht, die mit einem hastigen Wiederaufbau so viele schmerzhafte Fehler begangen hat. Hier bestünde die Chance einer Wiedergutmachung.
Kommentare
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MR am :
Mir fällt zunächst nur oberflächlich auf, wie wenig man als als Immigrant von dieser Stadt "versteht". Als Potraitist der alten Gaststättenlandschaft ("Kassel Lexikon") konnte ich mir ein erstes Bild machen von der alten Innenstadt, die von "Bomber Harris" sadistisch zerschmissen wurde. Aber eine echte Einfühlung kommt da (noch) nicht zustande.
Eine Erinnerung an Herrn du Ry kann wahrlich nicht schaden.Wenn schon die historischen Erinnerungen sowieso ausbleiben.
MR am :
MR am :