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Kleinkrieg um die Kleinmarkthalle

Beobachtungen eines Marktgängers

Die durchaus verunglückte „Informationsveranstaltung“ bzw. Bürgerversammlung zum neuen Konzept für die Markthalle am 4.2. zeigte einmal mehr das taktische Ungeschick der Verantwortlichen. Das beginnt mit den formaljuristischen Belehrungen des Stadtverordnetenvorstehers und des Oberbürgermeisters. Rechtlich alles ok, gleichzeitig aber ein Paradebeispiel für die Abgehobenheit der Verwaltung, für die diese Veranstaltung eine lästige Pflicht zu sein scheint. Getoppt noch dadurch, dass nur das „Siegerkonzept“ überhaupt vorgestellt wurde. Aus rechtlichen Gründen, versteht sich! Der normal denkende Bürger hat an diesem Abend erwartet, beide Konzepte nebeneinander vorgestellt zu bekommen, um sich ein Urteil bilden zu können.
Was kam, war ein eher lustloser und informationsarmer Vortrag mit einigen dürftigen Grundrissbildern. Mal unterstellt, die beiden Herren vom Büro Sprengwerk sind Vollprofis, dann liegt die Vermutung nahe, dass der Abend für sie auch nur eine lästige Pflichtübung war. Eine begeisternde Darstellung eines Millionen teuren Konzeptes sieht jedenfalls anders aus. Aber eine feurige Rhetorik ist auch nicht jedem gegeben…

Zu dem Disput über die vermeintlich falschen Flächenberechnungen kann ein Aussenstehender wenig sagen. Eine der langjährigen Marktbeschickerinnen brachte es jedoch auf den Punkt: Es kann nicht einleuchten, dass man alle Stände auf der neuen Ebene genau so gut oder besser unterbringt. Wie gesagt, ein Gefühl, aber genau das treibt die Leute um, Beschicker und Kunden: Sie fühlen, dass die Atmosphäre der Markthalle kaputt gemacht wird. Und die vielfach beschworene Fachkompetenz der Architekten konnte diese Zweifel nicht ausräumen.

Besonders die Aussagen zur Gastronomie waren eher dazu angetan, Zweifel an der Kompetenz der Sprengwerker aufkommen zu lassen. Ausgerechnet das Karlshospital als Referenz zu nennen, ist schon mutig. Erstens wegen der durchaus diskussionswürdigen Architektur und zweitens gerade wegen des anhaltenden Nicht-Erfolges der dortigen Gastronomie.

Die mehrfach behauptete große Nachfrage nach Veranstaltungsraum in der Größe des Erdgeschosses wurde von großen Teilen der Besucher nicht so gesehen. Es gibt in Kassel wohl keinen realen Notstand in diesem Bereich. Allenfalls taktisch motivierte Forderungen. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu sagen: Wenn man Veranstalter, Vereine und alle relevanten potentiellen Nutzer eines solchen Raumes fragt, ob sie Interesse an dem Angebot haben, dann lautet die Antwort immer „Ja, natürlich!“. So kann ich trefflich eine große Nachfrage prognostizieren. Leider sehen die Buchungszahlen hinterher anders aus.

Nebenaspekt: Die Deckenhöhe im Erdgeschoss ist für einen offenen Raum eher zu niedrig.

Thema Gastronomie: Wie sagte ein Besucher? „Das brummt!“ Und genau so ist es. Gerade die neueren Angebote leisten das, was immer wieder gefordert wird: Da kommen auch die Jungen hin! Man muss schon einen Platz reservieren, wenn man dort essen will. Mehr geht nicht.

Die Überlegungen der Architekten hierzu veranlassten einen Besucher zu dem Kommentar „wie im City Point“! In der Tat, was wir nicht brauchen, ist ein Food Court nach amerikanischem Vorbild, wie er im City Point im Obergeschoss durchaus gut funktioniert. Weder das Speiseangebot noch die Zielgruppe sind kompatibel mit der Markthalle. Die Mischung, die wir in der Markthalle aktuell haben, ist gut; und die vermeintliche Enge und Unübersichtlichkeit wird eher als interessant und lebendig empfunden. Markt bedeutet immer auch Gedränge!

Noch ein paar Sätze zum Glasdach. Sehr schön fand ich den Einwurf eines Besuchers: „Ich will nicht im Gewächshaus sitzen!“ Kann man so sehen. Es gibt aber auch gewichtige andere Gründe, die gegen ein Glasdach sprechen. Offenbar haben sich die erfahrenen Architekten doch nicht mit allen Aspekten befasst. Da ist erstens das grundsätzliche Problem, dass eine Glas-/Metallkonstruktion per se großen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist: Durch Wind und durch krassen Temperaturwechsel im Tages- und Jahresverlauf. Typische – und gut bekannte Folge: Immerwährende Undichtigkeit. Die Silikonindustrie lässt grüßen.

Dann: Durchzug! Wenn ich die Zeichnungen richtig interpretiere, dann ist der überdachte Raum von der unteren Treppe her offen und ebenso am anderen Ende zum Graben. Hier könnte ein sehr strömungsfreundlicher Windkanal entstehen. Wir haben in Kassel einen einen weltweit renommierten Fachmann für Fragen zum Stadtklima. Den sollte man mal dazu hören.

Zu bedenken ist auch der permanente Reinigungsbedarf der großen Glasfläche. Schnell zunehmende Ablagerungen von Strassenstaub und Laub sind unvermeidlich. Der optische Effekt ist verheerend, die Kosten enorm. Unsere lieben Mitbewohner, die Stadttauben, werden sehr rasch den Vorteil einer geschützten Unterkunft mit Vollverpflegung erkennen, dort einziehen und sich mit kostenfreien Guanolieferungen revanchieren.

Die Bewohner des neu geplanten Wohnblocks entlang des Graben bekommen vom Glasdach zusätzlich eine heimelige Geräuschkulisse, wenn der Regen oder gar Hagel auf das Glas prasselt! Der Plan, in dem Neubau auch noch Gastronomie anzubieten, ist wirklich verwegen. Denn das Angebot im Umkreis der Markthalle ist schon jetzt zu groß, Fluktuation und Leerstand zeigen das sehr deutlich.

Der kleine Parkplatz an der Tränkepforte hätte eine bessere Nutzung verdient als die lieblose Etikettierung „für gelegentliche Veranstaltungen“. Schließlich liegt er unterhalb der sehr markanten Fassade des Marstalls, die ja auch zu Recht als Markenzeichen dient. Aber Marketing ist eben keine Architektendisziplin.

So gäbe es noch eine Menge zu diskutieren, insbesondere wenn man auch das Konzept der Markthallengesellschaft kennen lernen könnte. Es hilft wenig, solche weitreichenden Planungen als Verschlusssache durch die Verwaltungsinstanzen zu schieben. Denn da ist eben auch nicht der Sachverstand für solche Projekte vorhanden – was kein Vorwurf ist! Aber eine Bürgerversammlung wie die gestrige ist kontraproduktiv und eigentlich eine Zumutung.

Und im Übrigen bin ich der Meinung: Renoviert muss werden!

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