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Hinter den Begriffen

Eine Polemik

Zu Beginn meines Studiums las ich in einem Buch: „Befriedigt schiebt sich begriffliche Ordnung vor das, was zu begreifen wäre.“

Ich habe diesen Satz, damals im Jahre 1972, nicht verstanden, seine Bedeutung ist mir erst jetzt im documenta-Jahr 2017 aufgegangen. Ich verdanke die Erleuchtung dem von mir hochgeschätzten Harald Kimpel, dem „wohl profundesten noch lebenden documenta Kenner“ (Helmut Plate). Da mein Interesse und meine Aufmerksamkeit den Außenseitern und Gescheiterten in der Gesellschaft gilt, ist mir eine Bemerkung von Harald Kimpel in seinem Gespräch mit Klaus Schaake übel aufgestoßen

http://kassel-zeitung.de/cms1/index.php?/archives/17167-StadtLabor-documenta-14-eine-kritische-Annaeherung.html

Klaus Schaake, der das Interview geführt hat, schreibt im „Vorwort“ zum Gespräch mit Kimpel: >>„Problembeweinungskunst“ zeigt laut Harald Kimpel die aktuell in Kassel laufende Ausstellung in großen Teilen.<<  Und Kimpel fügt im Gespräch hinzu: „Problembeweinungskunst ..... im Rahmen einer Mitleids-documenta“.


Klaus Schaake nennt das Gespräch mit Kimpel eine kritische Annäherung an die d 14. Es ist aber keine Annäherung, sondern eine Erledigung. Kimpel richtet diese documenta hin, er exekutiert sie vom Richterstuhl der Arroganz und Selbstgerechtigkeit aus.

Wenn man seine auf hohem Abstraktionsniveau geäußerten Gedanken sich mehrfach zu Gemüte führte, und dann in die Ausstellung ging, fand man nichts von dem wieder, was er über die d 14 sagt. Seine abschätzige Beurteilung der in der Ausstellung vertretenen Werke, welche auf die vielfältige Inhumanität der Gegenwart hinweisen, ist kunstfremd, und man fragt sich, in welcher Welt lebt dieser Mann eigentlich. Er war Angestellter beim Kulturamt der Stadt Kassel, hatte ein gutes und gesichertes Einkommen und hat jetzt eine Rente, von der er leben kann. Das muss nicht zwangsläufig zu einer ökonomischen Überlegenheit, kann aber zu einer Saturiertheit führen, die es unmöglich macht, die Tränen dieser Welt zu begreifen.Mit jedem Satz in diesem Gespräch Schaake-Kimpel wird eine Mauer errichtet, welche die Wahrnehmung der d 14 verschwinden lässt. Sprache ist  nicht nur das Instrument, mit dem Wirklicheit sichtbar gemacht werden,  sondern auch das, mit dem Wirklichkeit  verschleiert werden kann.Im Anhang zeige ich  ein paar Bilder, die man der Schublade der Problembeweinungskunst hinzufügen kann. Ich lade die Bilder auf meinem Blog hoch, weil ich mit der Bildpräsentation der Kassel-Zeitung noch nicht umgehen kann. ..... Die folgende Verlinkung führt zu einem Aufsatz von mir über Kader Attia, dessen Arbeit auf der documenta 13 zu sehen war (ich begnüge mich zuerst einmal damit.)



https://klausbaum.wordpress.com/2012/07/09/documenta-13-kader-attia-tater-oder-opfer-oder-beides/



 



 


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Kommentare

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MR am :

Sollten Bilder (etc.) begriffen werden sollen?

klaus baum am :

was denn sonst?

MR am :

Angeschaut, wahrgenommen (schwacher begrifflicher Einschlag, evtl. Aura), im Notfall interpretiert (starker begrifflicher Einschlag)? Soll denn nun alles Adorno sein?

klaus baum am :

nein- lieber martin, was hat die interpretation von kunst mit adorno zu tun?

MR am :

Von wem hätte denn sonst dieser von Dir zitierte Satz gedrechselt werden können: „Befriedigt schiebt sich begriffliche Ordnung vor das, was zu begreifen wäre.“
Wer wenn nicht Du wüsstest aus Deiner eigenen ausgreifenden Arbeit, dass der Gedankenarchitekt "hinter dem Mond wohnt"? Wer wüsste denn nicht, dass zB die Musik die Ausweichbewegung vor dem Leben ist, das nicht gelebt werden kann? Wer wenn nicht Klaus Heinrich hat die richtige Bescheinigung ausgestellt, dass hier zwar Verkörperung von ERWARTUNG ist, aber die Verkörperung selbst ausbleiben muss, soll, will? (vgl. die letzten Sätze der Minima Moralia und die Hausbesetzung des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt)

klaus baum am :

martin, du hast ja völlig recht, was die sachverhalte betrifft, die DU meinst. aber hier geht es um kimpel, der die documenta mit autoritärem gestus, mit einer alternativlosen begrifflichkeit umstellt, so dass man die einzelnen kunstwerke nicht mehr sehen kann.

MR am :

ich hatte geahnt, dass sich Bilder und Objekte durch Organisation und Rummel sehr weit von sich selbst entfernt haben könnten. Die Künstler und Kuratoren machen da aus Prominenzgründen anscheinend mit. Deshalb hatte ich mich damals auf eine Berichterstattung beschränkt, die den Rummel porträtiert; nicht zuletzt durch die Groteske, die ich vom Bücherturm aus beobachten konnte: weiträumig abgesperrte Besucher, die mit Blaulicht anfahrende Polit-Eröffnungs-Prominenz beäugen dürfen und das offensichtlich, wie bei Aristokratie-Hochzeiten, auch lustvoll tun. Darunter das Oberhaupt der durch sich selbst und den Neoliberalismus gründlich abgewirtschaftenen attischen Demokratieerfindung. (Die kannten wenigstens noch die Unterschiede zwischen Plutokratie, Oligarchie, Despotie usw.)

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