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Ende gut, alles gut?

Vorsicht: Buchrezension (mit einem Rezensionsexemplar, dem Verlag sei Dank), Kondensmilchfassung. Es gibt Bücher, für die braucht man einen Wagenheber und Geld, und die fasst man nur mit der Zange an. 879 g, 570 S., 4 cm dick im broschierten Modus, ein „Wälzer“ mit 36 Artikeln, überschrieben mit „Abendländische Eschatalogie“. Drin die vielfältig verhandelte Frage nach der Erlösung am Ende der (aller) Zeiten. Die letzten Dinge.
Eschatologie, Parusie, Messianismus, Apokalypse, Tikun usw. usf. Es wäre schon interessant zu wissen, wer sich in Kassel und evtl. Hofgeismar mit so etwas (mit Gewinnst?) beschäftigt.
Der intellektuelle Aufwand drehte sich 1997 um Jacob Taubes, verstorben, Rebbe und Religionsphilosoph, einen der letzten großen Exzentriker und bipolaren Störer, den ich in Berlin noch kennengelernt habe. (Was heißt kennengelernt: Ich wurde von ihm terroristisch aufgefordert, ein Seminarprotokoll anzufertigen. Ich beugte mich.) Ich werde noch etwas brauchen, das Buch zu verarbeiten, greife aber schonmal einen für mich biografisch wichtigen Punkt heraus.
2004 traute ich meinen Augen nicht, als ich die letzten Sätze von Adornos „Minima Moralia“ noch einmal las. Dort wurde über die Forderung an den „Gedanken“ schwadroniert: „Gegenüber der Forderung, die damit an ihn [den Gedanken] ergeht, ist aber die Frage nach der Wirklichkeit oder Unwirklichkeit der Erlösung selber fast gleichgültig.“ Als Studentenbewegter dacht ich mir: Wie kann es möglich sein, dass die von der Religion aufgeworfene und von Marx weitergetriebene Hoffnung auf Erlösung aus dem „Jammertal“ „fast schon gleichgültig“ sein soll? (Man beachte die sprachliche Drehung...) Da hatte eher doch der Bearbeitete recht, der auf dem „säkularisierten messianischen Pfeil des Marxismus“ bestand und eine linke Apokalypse in Aussicht nahm (also die Endlösung der Juden- und Christenfrage in eins).
Nun kommt mir immerhin ein Beitrag aus dem Buch zupass, der die Gipfelpunkte der Heilserwartung unverfänglich benennt. „Ob nun räumlich über uns im Himmel, ob zeitlich vor uns in der Zukunft, ob in uns als verpflichtender Maßstab des Bewusstseins oder als sentimentalischer Auftrag des Herzens, das alles ist nur ein Panorama der verschiedenen Formen einer immergleichen Heilserwartung und Erlösungshoffnung.“ (nicht Reuter, sondern Michael Reiter, S. 167)
Ich darf zur Hoffnung auf eine christlich-jüdische Verständigung den giftigen Satz von Taubes hinterherwerfen: „Daß sechs Millionen ausgerottet sind, und man sich dann einen Hampelmann sucht, mit dem man Dialog führt, ich finde das geschmacklos. Man muß anerkennen, daß etwas passiert ist, daß Dialoge nicht möglich sind, weil man ja keine Toten beschwören kann.“ Hiermit sei auch Eva Schulz-Jander herzlichst gegrüßt, die bei allen diesbezüglichen Preisverleihungen anwesend ist. Auch darf man Martin Walser grüßen, der mit der "Auschwitzkeule" gründlich zieldenunziert worden ist.
"Sie verstehen nicht, wie es auseinander gertagen mit sich selbst im Sinn zusammen geht: gegenstrebige Fügung [griech. palintropos harmonie, Heraklit] wie die des Bogens und der Leier." (Motto zu Jacob Taubes, Ad Carl Schmitt)

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