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Was überall möglich ist - während der Corona Krise Fahrspuren von Hauptverkehrsstraßen in Radwege umzuwidmen - das geht in Kassel nicht! Quo vadis SPD in Sachen umweltfreundliche Mobilität?

Die Vorbereitungen für die Kommunalwahlen in Kassel kommen – da kann auch besagtes Virus nichts ausrichten – so allmählich auf Touren. Woran man das ablesen kann? Am besten an den beginnenden Auseinandersetzungen um ein Thema, das alle Kasseler Herzen höher schlagen lässt und das großes Konfliktpotential beinhaltet. Es geht um den Verkehr in seiner höchsten, reifsten und schönsten Form: Es geht also um’s Autofahren. Dass Autofahren die beste Form der Fortbewegung in der Stadt sei, das meinen jedenfalls viele der oft unbelehrbaren hiesigen Autofahrerinnen und Autofahrer, von denen es in Kassel ganz besonders viele zu geben scheint. Und in Kassel haben sie, zu ihrem großen Glück, eine unbeirrbare politische Kraft an ihrer Seite, eine Kraft, die dazu noch an der Regierung, also bestimmend im hauptamtlichen Magistrat ist: Die Kasseler SPD.

Der automobile städtische Verkehr kostet aber, alle wissen das, Jahr für Jahr Unsummen, belastet Luft und Umwelt, fordert Tote und Verletze und – was am Schlimmsten ist – nimmt allen anderen Mobilitätsformen den notwendigen Platz. Eine richtige Katastrophe ist der platzraubende 'Ruhende Verkehr'. Denn auch wenn man Autos Fahrzeuge nennt, so sind sie doch in Wirklichkeit Stehzeuge, weil sie mehr als 95 Prozent der Zeit immer irgendwo rumstehen. Das stellt die Stadtplanung oft vor fast unlösbare Aufgaben. Dazu kommt: Viele Städte wachsen weiter, was auch für Kassel zutrifft. Das bedeutete in der Vergangenheit immer zunehmenden Autoverkehr. Und vermutlich wird das auch noch eine Weile so weitergehen, wenn nicht endlich klug und konsequent gegengesteuert wird. Dafür gibt es, beileibe nicht nur in der Modellstadt Kopenhagen, viele positive Beispiele, auch in der Bundesrepublik.


An einer solchen klugen Gegensteuerung jedoch fehlt es hier in Kassel seit Jahrzehnten. Insbesondere die krachend verloren gegangene Wahl 1993, in der auch die Verkehrspolitik - mit der etwas rabiaten und unvermittelten Ausweisung von flächendeckenden Tempo-30-Zonen mit den sog. Lollies - eine wichtige Rolle gespielt hat, hinterließ bei den Sozialdemokraten unverheilte Wunden... Weil aber die SPD dieses inzwischen schon 27 Jahre zurückliegende Drama nie aufgearbeitet geschweige denn überwunden hat, kann sie sich auch nicht wirklich zu einer neuen Verkehrsstrategie durchringen.

Daran ändern auch erste zaghafte Versuche nichts, nun doch etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen und mehr Stellen zu schaffen für einen besseren Radverkehr. Dass es überhaupt nach all den untätig verschlafenen Jahrzehnten dazu gekommen ist, darf getrost auf das Konto der Kasseler Radaktivisten gebucht werden. Nur ihnen ist es zu verdanken, dass durch das Bürgerbegehren für einen Radentscheid im vergangenen Jahr großer Druck auf die Koalition aus SPD und Grünen ausgeübt wurde. Mit den rasch über 22.000 gesammelten Unterschriften für eine grundsätzliche Wende in der Verkehrspolitik haben die Radlerinnen und Radler - auch wenn die SPD das Bürgerbegehren dann aus fadenscheinigen, formalen Gründen abgelehnt hat - den verantwortlichen Kommunalpolitikern klargemacht, dass es so wie bisher nicht weitergehen wird.

Corona bedingt ist seit März/April 2020 auch auf den Kasseler Straßen automobil deutlich weniger los. Deshalb forderten die Grünen – klar, das hat mit den o.a. auf Touren kommenden Kommunalwahlen zu tun - Fahrbahnen für den Radverkehr umzuwidmen, zumindest experimentell. So z.B. auf die Wilhelmshöher Allee. Aber natürlich wäre das auch auf dem Steinweg und andernorts gegangen. Wenn man denn nur gewollt hätte!

Die Grünen wurden und werden bei dieser Forderung zu Recht unterstützt von den Fahrradverbänden, dem BUND, der Fraktion der Kasseler Linken und vielen anderen. Dabei hätte man wichtige Erfahrungen sammeln können für den in naher Zukunft angepeilten vorsichtigen Umbau der städtischen Mobilität. Schon im vergangenen Sommer gab es ja so ein Experiment mit dem Steinweg auf Höhe des Friedrichsplatzes, das gute Ergebnisse gebracht und die Radler optimistisch gestimmt hat…

Die Kasseler SPD schmetterte das zarte Ansinnen der Grünen jedoch als Aktionismus ab. Während in Berlin, Bogota und Mailand, um nur die im Moment am meisten Staub aufwirbelnden Städte zu nennen, aktive Stadt- und Verkehrs- und Umweltplaner die Gunst der Stunde nutzten und quasi über Nacht viele Kilometer Straßen zu Radwegen umwidmeten, soll es in Kassel - ja, genau - alles so bleiben wie es immer war. Nur dass jetzt die Autos eben teils über fast leere Straßen rollten und noch rollen. Um es den vielen anderen Städten auf dem Planeten gleich zu tun, hätte es nur ein wenig Mut, ein bisschen Phantasie und einen Hauch Kreativität gebraucht: Aber alles das scheint es in der SPD Fraktion und im Verkehrsdezernat leider nicht zu geben. Während in Bogota sage und schreibe 100 Kilometer Autostraßen zu Radwegen umfunktioniert wurden und in Mailand 35, hat man in Kassel jede Form von kreativen Aktionen vermieden und alles so belassen… Hätten die Grünen zu dem, was in so vielen Städten weltweit elegant und lässig realisiert worden ist, zusätzlich noch verlangt, die Corona Zeit zu nutzen, um flächendeckendes Tempo 30 auszurufen und auszuprobieren: Die SPD wäre in Schnappatmung verfallen!

Von den unbürokratisch ausgewiesenen, neudeutsch Pop-up-Radwege genannten Radstraßen sind aber nicht nur Radlerinnen und Radler all überall angetan. Nein, auch die Deutsche Umwelthilfe, der Deutsche Städtetag, das Deutsche Institut für Urbanistik und viele andere renommierte Institutionen sprachen und sprechen sich für solche Maßnahmen aus.

Da die SPD immer noch unbelehrbar scheint, muss im nächsten Frühjahr zum Strafzettel gegriffen werden: Und das sind hier bei uns Wahlzettel. Es wird also darauf ankommen, dass die Wählerinnen und Wähler, auch in Nordhessen und Kassel, endlich den Mut aufbringen, den die hiesige SPD so schmählich vermissen lässt, um einen Wandel in Gang zu setzen. Sie müssen im März 2021 diejenigen Kräfte, Parteien und Bündnisse mit Mehrheiten ausstatten, die endlich den mobilen Wandel in Szene setzen. Denn der wird kommen, ob die SPD das nun will oder nicht!

Um einen solchen Mut für den politischen Wechsel an den Tag zu legen, gibt es noch andere Gründe. Die stehen dann in einem anderen Artikel, damit der hier nicht zu lang wird.




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